Impressionen von der Summer School 2015 in Münster

Diese Summer School in Münster (http://kooperatives-lernen-ms.de/) war etwas besonderes für mich – ich habe meine erste vierstündige Einführung ins Kooperative Lernen gegeben, moderiert haben wir zu zweit in 2×2 Stunden. In unserer Einführung sind wir der Basisstruktur gefolgt: Gruppenbildung, Arbeitsorganisation herstellen, Kennenlernen, Gruppenidentität schaffen, eine Arbeitsphase zur inhaltlichen Auseinandersetzung und der Reflexion – Hand aufs Herz. Die Präsentation ist hier: http://www.green-institut-rhein-ruhr.de/index.php/material/category/37-summer-school-2015 zu finden.

Die zweitägige Fortbildung fand unter dem Titel „Heterogenität als schulisches Potential – Kooperatives Lernen als Chance!?“ am 24. und 25 September 2015 in Münster statt. An dieser Stelle schreibe ich über die Aspekte, die mich bewegt, interessiert oder zum Nachdenken gebracht haben.
Der Donnerstag begann inhaltlich nach den Begrüßungen mit einer Eröffnungsdiskussion: Kooperatives Lernen – Quo Vadis. An dieser haben verschiedene Akteure aus dem Bildungssystem teilgenommen, welche sich in den unterschiedlichen Phasen der Lehrerausbildung befinden: Lehrende der Universität, Schulleiter, Lehrer, Ausbilder an ZFSLs und Referendare. Der Einstiegsimpuls war: „Kooperatives Lernen bedeutet für mich …“ und hier antworteten die Referenten u.a.: Orientierung, Handwerkszeug, Green-Institut Rhein-Ruhr e.V., Austausch, schüleraktivierend, Konstruktivismus, ein methodisches Lehr-Lern-Konzept, Fortbildungen, es ist eine mögliche Perspektive für ein Leitbild für Schulentwicklung es ermöglicht Selbstwirksamkeitserfahrungen zu machen und es ist eine Überlebenschance im real existierenden Schulsystem. Und gerade diese hier zu letzt wiedergegebene Position finde ich bemerkenswert: Kooperatives Lernen funktioniert im realen Schulalltag!
Es wurde jedoch nicht nur die Sonnenseite des Kooperativen Lernens beleuchtet, es wurde auch kritisch hinterfragt: Was wird an dem Konzept vermisst? Hierzu wurde folgendes angemerkt: nicht alle SuS profitieren, es gibt SuS die Einzelarbeit und Frontalunterricht lieber mögen, für SuS ist Kooperatives Lernen auch anstrengend und es wurde auf die langfristige Anlegung hingewiesen: Kooperatives Lernen ist wirksam (empirisch mehrfach bestätigt), aber die Wirksamkeit stellt sich nicht „mal eben“ ein. Es ist keine Feiertagsdidaktik, sondern ein Konzept, welches richtig und langfristig eingesetzt werden soll.
Daneben wurde recht ausführlich über Voraussetzungen für die Etablierung des Kooperativen Lernen gesprochen: um sich selbst wahrzunehmen und zu akzeptieren, ist ein Klima der Akzeptanz notwendig; das System muss sich auf die Veränderungen einstellen, hierzu gehört; das Schaffen von Strukturen durch den Schulleiter, welches z.B. den Raum für Absprachen ermöglicht und für das Lernen des Kollegiums ist einen systematische Fortbildungskultur notwendig.
Was hat das Kooperative Lernen noch zu lernen? Auf diese Frage antworteten die Diskutanten mit Hinweisen für die Etablierung an der eigenen Schule: Kooperatives Lernen muss behutsam an die Schule angepasst werden – an die SuS und Lehrer. Bezüglich der heterogenen Schülerschaft zeigten sich verschiedene Positionen auf dem Podium: Eine Schule für alle Kinder und keine Schule für alle Kinder – da SuS zu heterogen sind und es in der Praxis nicht stimmen würde, dass alle voneinander lernen. Diese sehr gegensätzlichen Positionen konnten innerhalb der Eröffnungsdiskussion nicht aufgelöst werden, jedoch leiteten sie zum Titelthema der Fortbildung – der Heterogenität – über. Insbesondere für die Lehrerausbildung wurden große Diskrepanzen für den Umgang mit Heterogenität aufgezeigt und auch zu wenig Unterstützung in diesem Bereich als problematisch benannt. Kooperatives Lernen wurde abschließend als Weg in eine neue Lernkultur benannt, jedoch wurde nicht postuliert, dass es sich um ein Allheilmittel handelt. Als großes Desiderat im Kontext des Kooperativen Lernens wurde die Hochschule und die Hochschuldidaktik benannt. Hierzu werde ich demnächst aus dem Open Space berichten.

Prof. Matthias von Saldern: Heterogenität und Lernen in Kooperation. Möglichkeiten und Grenzen. Die Folien sollen demnächst auf der Seite der Summer School veröffentlicht werden, daher folgen meinerseits nur einige Schlaglichter aus meiner Mitschrift: Eigentlich heißt die Behindertenrechtskonvention Beeinträchtigenrechtskonvention – wenn man sie richtig übersetzen würde. Inklusion ist dann erreicht, wenn wir den Begriff nicht mehr brauchen. Ein Zitat: „Integration setzt Seperation voraus.“ Herr von Saldern hat in beeindruckender Weise einige Begriffe rund um das Thema beleuchtet: Der Behindertenbericht heißt nun Teilhabebericht und vermutlich durch die Übersetzungen aus dem Englischen haben sich einige Unklarheiten bzgl. der Begriffe beeinträchtigt und behindert eingeschlichen. „Menschen sind nicht behindert, sie werden behindert.“ Diese wurde an verschiedenen Beispielen ausgeführt. So ist der Rolli-Fahrer an und für sich beeinträchtigt und behindert, wird er erst durch die Treppen. Des Weiteren hat er das Ausmaß des Begriffes Inklusion vor Augen geführt: Inklusion findet nicht nur in der Schule statt und umfasst auch viel mehr Aspekte als meist angenommen: Hochbegabung, Migration und Armut bspw.
Herr von Saldern sieht das Kooperative Lernen als Umweltmodus, da Lernen individuell erfolgt und es stellt eine Grundform des Unterrichts dar, neben dem gemeinsamen und dem individualisierten Unterricht. (Nach Paradies 2008: Differenzieren im Unterricht) Im nächsten Schritt betrachtete er die Argumente für das Kooperative Lernen kritisch. Die Schüleraktivierung, die Möglichkeit Schulentwicklung mit ihr zu verbinden und die Entlastung der Lehrkräfte führte er als schwache Begründungen an. Als starke Begründung führt von Saldern an, dass man nur in Differenz lernt und dies ermöglich das Kooperative Lernen, da in diesen Alter und Ego aufeinandertreffen. Das Resümee der Begründung ist, dass Lernen in Kooperation (LiK) zur Identitätsbildung verhilft. Im weiteren Verlauf setzte sich von Saldern mit Inklusion und der Stärke der Steuerung auseinander, hierbei können kooperative Lernenformen erfolgsbringend eingesetzt werden, da sie adaptierbar sind.

Zum Austausch und zur Planung des Open Space wurden soziometrische Verfahren eingesetzt. Mein Fazit: an dieser Stelle wurde es gewinnbringend eingesetzt.

Am Freitag eröffnete Prof. Franz-B. Wember mit seinem Vortrag: Gemeinsam verantwortete Gestaltung inklusiver Lernumwelten in heterogenen Lerngruppen den zweiten Fortbildungstag. In diesen Vortrag wurden die Gegebenheiten rund um das Thema Inklusion beleuchtet. Beeindruckt hat mich die Frage nach dem Umgang mit empirischen Ergebnissen und der Feststellung, dass diese Orientierungspunkte für die Gestaltung von inklusiven Unterricht darstellen.

Es folgten die Vorträge und das kreative Resümee

2015-09-25 16.21.34